Scham erinnert den Menschen daran, dass er in sich gespalten ist, dass es eine Lücke gibt zwischen dem, was man zu sein glaubt, und dem, was man wirklich ist (unbewusste Wahrheiten, Impulse und Fantasien, inneres Kind); dass es eine Kluft gibt, zwischen dem Menschen und seiner Welt und Zeit, in der der Mensch lebt. Die Verdrängung der Scham ist Teil jenes Kampfes, den die politische Rechte gegen diese Spaltung führt. Die Linke hingegen genießt diese Spaltung tendenziell etwas zu sehr. Sie rechtfertigt mit der Scham sowohl ihre voyeuristische Einstellung als auch ihre distanzierte Haltung zur politischen Realität.
Indes hält die israelische Linke stets einen Ehrenplatz bereit für diejenigen, die sich jeweils in Opposition zur eigenen Position befinden. Diese ironische, teils verzerrte Perspektive führt nicht selten dazu, dass sich viele Linke sogar nach ihrer Niederlage „auf der Siegerseite“ sehen („was kann man nach 50 Jahren Militärbesatzung über ein anderes Volk schon anderes erwarten“ usw.).
Anstatt die eigene Scham und Beschränkung zu akzeptieren, zieht die radikale Linke den „Narzissmus der kleinen Differenzen“ der solidarischen Schicksalsgemeinschaft vor. Es ist, wie bereits erwähnt, schwierig, Menschen, die sich schämen, auf die Straße zu bringen. Aber wir dürfen uns nicht von der Scham in unsere Häuser sperren und in einen Zustand der Zersplitterung, Unwissenheit, Blindheit und Lähmung versetzen lassen. Wenn wir Rassismus und den israelischen Faschismus nicht als Teil unserer Selbst anerkennen, können wir beides nicht bekämpfen.